Der „Rote Posten“ (Poste Roja) ist der Name einer Dorfgemeinschaft, auch wenn es eher nach dem Decknamen eines Geheimbundes klingt. Und tatsächlich ist die folgende Geschichte nicht wenig geheimnisvoll.
Wenn du diesen Artikel liest, wirst du höchstwahrscheinlich auf einen Laptop oder ein modernes Tablet blicken. Du befindest dich in einem Raum, der zentral beheizt wird, ohne dass dir der Rauch eines Feuers Tränen in die Augen treibt. In relativer Nähe wird ein mehr oder weniger gefüllter Kühlschrank stehen, in dem sich frische Lebensmittel befinden. Wenn du an einem kleinen Hebel drehst, kommt trinkbares Wasser in beliebig gewählter Temperatur aus einem Hahn. Und falls dir wirklich mal etwas fehlen sollte, gehst du zu einem (ausgebildeten) Arzt, legst eine kleine Plastikkarte auf den Tresen und nennst deine Beschwerden.
Glückwunsch! Damit lebst du wahrscheinlich besser (wenn auch nicht unbedingt ökologischer) als große Könige vor wenigen hundert Jahren – und ziemlich sicher besser als der Großteil der Weltbevölkerung.
Während unseres Baumhausaufenthalts nutzen wir die Gelegenheit, an einer Community-Tour teilzunehmen und erfahren dabei viel über die Geschichte des Baumhauses sowie das Leben der Menschen im Dorf „Roter Posten“.
Vor ungefähr zehn Jahren kaufte ein Reisender ein Stückchen Land mitten in einer abgelegenen Ecke am Rande des Dorfes. Für die ansässigen Menschen war das wie ein Schock, denn bis dahin hatten die meisten noch nie weiße Menschen gesehen und einige hielten sie tatsächlich für Geister. Leider handelte es sich bei diesem Reisenden um eine besonders garstige Person und noch heute erzählt man sich manche schlimme Geschichten – ein richtiges Ekel. Erwiesener Maßen bekannt ist allerdings, dass fortan mehrfach wöchentlich laute Partys mit vielen Menschen und viel Alkohol sowie lauter Musik im Dschungel gefeiert wurden. Eines Tages ist er dann nach einer Party betrunken zurück in die Stadt gefahren und hat dabei einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Einheimischer getötet wurde. Er beging Fahrerflucht, doch zum Glück wurde er dennoch geschnappt. Allerdings musste er nur neun Monate ins Gefängnis und eine wie man munkelt größere Summe Geld zahlen, wobei hierzu nichts Offizielles bekannt ist. Angeblich hat er heutzutage Einreiseverbot in Nicaragua.
Heute wird das „Treehouse Hostel“ von einem anderen Besitzer geführt, der nach und nach die Baumhäuser gebaut bzw. ausgebaut hat. Das Vertrauen der lokal Ansässigen wurde schrittweise durch Unterstützung der Community zurückgewonnen und dennoch bleibt die Koexistenz aus Dorf und Hostel eine bizarre Kombination. Denn auch wenn sich das Verhältnis zum Positiven geändert hat, findet noch einmal die Woche freitags der „Jungle Rave“ statt, was eine wilde berüchtigte Party ist, deren Bässe bis in die Morgenstunden über das ganze Tal dröhnen.
Von oben aus dem auf einem Hügel gelegenen Baumhaus betrachtet, ist zunächst einmal gar kein Dorf erkennbar, sondern nur dichter Dschungel. Dass hier irgendwo Menschen leben, ist nur an den vielen kleinen Rauchsäulen zu erkennen, die am Nachmittag empor steigen, wo Blätter und Müll verbrannt werden. Aber der Reihe nach… Zunächst einmal ist Dorf nicht ganz das richtige Wort. Es handelt sich eher um Hütten aus Betonwänden mit Wellblechdächern. Diese erstrecken sich in unregelmäßigen Abständen durch das ganze Tal. Interessanter Weise scheint es so, als ob die Bäume auf den Grundstücken stehen gelassen wurden. Hier und dort hängen ein paar Früchte und Hühner laufen durch die Gegend. Mir ist allerdings schleierhaft, wovon die Menschen hier leben. Einen Beruf im klassischen Sinne unserer Vorstellung scheinen sie nicht zu haben und dass die paar Früchte zum Leben reichen, halte ich für unwahrscheinlich.
Das Gesicht hinter der Community-Arbeit ist Elen. Sie kam als Reisende hierher und arbeitete eine Weile im Hostel. Über die Zeit hat sie dann die Kontakte zur Community geknüpft. Die Einnahmen aus der Führung sowie weitere Spenden werden genutzt, um die Menschen vor Ort zu unterstützen. Welche Projekte angegangen werden, wird gemeinsam entschieden. Beispielsweise wurden in den letzten Monaten diverse Häuser ausgebessert und die Schule gefördert. Auch bei gesundheitlichen und sozialen Themen gibt es Beratung. So wurde eine Kampagne zur gesunden Ernährung gestartet, welche speziell auf die verfügbaren Lebensmittel abgestimmt ist.
An dieser Stelle beende ich den Artikel und lasse Bilder sprechen.